Sie befinden sich hier:

  1. Angebote
  2. Bevölkerungsschutz und Rettung
  3. Rettungsdienst

Im Mai 2019 erleidet Petra G. einen Herz-Kreislaufstillstand, ihr Ehemann verständigt sofort den Rettungsdienst unter der 112. Doch bis die Einsatzkräfte eintreffen, dauert es selbstverständlich ein wenig und so leitet der Disponent der Leitstelle Herrn G. telefonisch an seine Frau wiederzubeleben. Seit 2010 gibt es die Empfehlung für Leitstellendisponenten bei Verdacht auf Vorliegen eines Herz-Kreislauf-Stillstands telefonisch zur Wiederbelebung anzuleiten. Unter anderem dank der erfolgreichen Telefonreanimation (T-CPR) geht es Petra G. heute wieder gut. Wir haben mit den Eheleuten über dieses Erlebnis gesprochen.​

Frau G., wie geht es Ihnen heute?

Frau G.: Mir geht es wieder gut. Ich habe glücklicherweise keine Schäden davongetragen. Durch die Reanimation wurde zwar meine linke Herzkammer in Mitleidenschaft gezogen, das hat sich aber relativ schnell wieder gegeben. Seit Dezember 2019 ist meine Herzleistung wieder auf Normalniveau und ich habe keine Einschränkungen mehr.

Es ist also alles wieder wie vor dem Herz-Kreislauf-Stillstand?

Frau G.: Im Hinterkopf habe ich es schon noch, manche Dinge gehe ich nun doch vorsichtiger oder langsamer an. Ich kann zwar Sport treiben und im Urlaub waren wir Wandern in den Bergen, aber man passt besser auf. Die Ursache wurde nie gefunden, aber organisch ist alles in Ordnung. Darüber bin ich wirklich froh. Ich bin dreifache Mutter, die Kinder gehen alle zur Schule und brauchen ihre Mama. Ich bin dankbar, dass alles so gut gelaufen ist und ich mein Leben weiter normal fortführen kann.

Haben Sie Erinnerungen an diesen Tag im Mai 2019?

Frau G.: Ich weiß, dass es in der Nacht bzw. den Morgenstunden passiert ist, als ich geschlafen habe, aber mein Kurzzeitgedächtnis ist weg. Den Nachmittag davor habe ich auch nur grob in Erinnerung. Ich vermute allerdings, dass ich schon einen Todeskampf im Schlaf bzw. währenddessen im Unterbewusstsein durchlebt habe. Ich habe nämlich einen meiner Ohrringe verloren, der dann später im Bett gefunden wurde. Auch an die ersten Tage im Krankenhaus erinnere ich mich nicht. Natürlich habe ich viele Medikamente und Beruhigungsmittel bekommen, das spielt mit rein. Gezielte Erinnerungen habe ich dann erst an die Zeit auf der Normalstation, an die Intensivstation erinnere ich mich fast nicht, wenn dann nur an kleine Fetzen. Ich wurde währenddessen für einen Tag ins künstliche Koma versetzt, aber auch daran erinnere ich mich nicht.

Herr G., Sie haben den Tag bzw. die Nacht sicher noch lebhaft in Erinnerung. Wie haben Sie die Situation empfunden?

Herr G.: Es war 5 Uhr in der Früh und ich bin von dem Röcheln meiner Frau aufgewacht. Auf meine Frage wie es ihr geht oder ob alles in Ordnung ist kam keine Antwort. Da hab gleich gemerkt, etwas stimmt nicht.

Wussten Sie dann sofort was zu tun ist?

Herr G.: Ich bin selbst in der Feuerwehr und mache regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse, von daher konnte ich die Situation schon einschätzen. Ich habe meine Frau geschüttelt und als dann immer noch keine Reaktion kam, habe ich sofort das Telefon geholt und den Notruf 112 angerufen.

Der Disponent hat Ihnen dann Hilfestellung gegeben, wie lief das genau ab?

Herr G.: Ich sollte gleich den Puls fühlen, ich hatte aber schon immer Schwierigkeiten damit ihn zu finden. Das hat dann durch die Anweisung des Disponenten geklappt, anschließend habe ich die Atmung kontrolliert. Ich war natürlich auch sehr aufgeregt. Nachdem weder Puls noch Atmung vorhanden waren, wurde ich zur Reanimation angeleitet. Ich habe direkt mit dem Telefon am Ohr mit der Herzdruckmassage begonnen. Der Herr am Telefon hat mir den Takt vorgegeben, damit ich nicht zu schnell oder zu langsam drücke. Dann habe ich irgendwann auch selbst mitgezählt. Der Disponent blieb die ganze Zeit am Telefon und hat mich auf dem Laufenden gehalten, wann der Rettungsdienst kommt, wie weit er noch weg ist, wie viele Minuten es noch dauert. Das alles hat mir ein gutes und sicheres Gefühl gegeben. Zu wissen, dass man nicht allein ist und jemand professionelle Anweisungen gibt.

Hatten Sie Angst? Kommt man in so einer Situation überhaupt zu solchen Gefühlen?

Herr G.: Angst hatte ich keine. Die kam tatsächlich erst nach einem halben Tag. Die Anspannung fiel dann ab und ich habe mich schon gefragt: Habe ich alles richtig gemacht?

Wie hat Ihnen der Disponent die Aufregung genommen?

Herr G.: Vor allem durch die Ruhe, die er ausgestrahlt hat. Er hat der Situation die Hektik genommen. Dass er den Takt vorgegeben hat, war sehr hilfreich. Man kennt zwar viele Lieder und Eselsbrücken wie man nicht zu schnell oder zu langsam drückt, aber da denkt man in dem Moment nicht dran. Es ist gut jemanden am Telefon zu haben, der genau weiß, was zu tun ist.

Einen Menschen wiederzubeleben und kräftig in den Brustkorb zu drücken kostet viel Überwindung, oder? Dachten Sie, Sie können auch etwas falsch machen?

Herr G.: Ich habe zwar schon einige Erste-Hilfe-Kurse gemacht und habe gute Grundkenntnisse, aber in dem Moment war alles wie weggeblasen. Die Leitstelle war einfach Gold wert! Bei Fremden fällt es einem vielleicht auch noch mal leichter, man kann sich besser distanzieren und hilft einfach, aber bei der eigenen Ehefrau ist das etwas anderes.

Hätten Sie auch ohne den Disponenten so gehandelt?

Herr G.: Ich denke schon, dass ich ähnlich vorgegangen wäre, aber ob es dann genauso richtig gewesen und korrekt abgelaufen wäre? Das weiß ich nicht. Allein das Prüfen des Pulses wäre schwierig geworden. Man hört immer wieder, dass man nichts falsch machen kann, aber man hinterfragt das in der Situation schon. Dabei ist nichts machen am schlimmsten. So eine Situation braucht kein Mensch, das wünsche ich niemandem.

Nicht nur für Sie beide war es eine herausfordernde Erfahrung, Ihre Kinder waren auch zuhause. Wurden sie auch betreut? Wie sind sie mit der Situation umgegangen?

Ehepaar G.: Die beiden Älteren haben am Anfang nichts bekommen und weitergeschlafen, aber der Jüngste war gleich wach. Er ist aber zum Glück in seinem Zimmer geblieben. Vom Disponenten wurde ich auch gleich gefragt, ob jemand zur Betreuung der Kinder kommen soll. Das Kriseninterventionsteam (KIT) kam dann dazu und nachdem meine Frau dann im RTW war, haben wir uns alle gemeinsam hingesetzt und darüber gesprochen. Aber nicht nur über die Situation, sondern über alles Mögliche. Die Dame vom KIT hat ebenfalls viel Ruhe ausgestrahlt und uns alle von dem Ereignis abgelenkt. Für die Kinder war es komisch die Mama so schwach zu sehen, aber sie sind sehr vernünftig und haben in der Situation alles verstanden. Da sind sie schon sehr weit für ihr Alter. Später hat dann der Opa auf die drei aufgepasst und ich konnte ins Krankenhaus nachfahren.

Was möchten Sie den Menschen noch mitteilen?

Ehepaar G.: Im Grunde genommen können wir uns nur bei allen bedanken. Zum Glück ist alles gut gegangen und es sind keine bleibenden Schäden entstanden. Das schnelle Eingreifen der verschiedenen Positionen – Rettungsdienst, Notarzt, Disponent, KIT – hat zu einem guten Ausgang geführt. Und die Schnelligkeit war entscheidend! Nur dadurch wurden bleibende Schäden verhindert, hat man uns später gesagt. Es ist so wichtig, dass den Menschen die Angst vor der Reanimation genommen wird. Man muss diesen Scheuklappt vorbeugen, nichts zu tun ist absolut verkehrt. Dann zu wissen, dass einen jemand am Telefon begleitet und mit Anweisungen hilft, gibt einem die nötige Unterstützung in so einer schwierigen Situation.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr und Frau G.! Danke, dass Sie uns Ihre Geschichte zu diesem sehr persönlichen Erlebnis erzählt haben. Wir freuen uns, dass das gute Zusammenwirken aller Beteiligten zu einem positiven Ergebnis geführt hat. Abschließend bleibt festzuhalten, wie wichtig es ist zu helfen. Sei es den Notruf zu verständigen, durch eine Reanimation oder weitere Erste-Hilfe-Kenntnisse anzuwenden und diese auch immer wieder aufzufrischen. Denn nur wer sich sicher fühlt, kann auch helfen.